Recht vs. Macht: Die Krise der Weltordnung verstehen

In einer zunehmend komplexen und polarisierten Welt erleben wir eine grundlegende Spannung, die das Fundament unserer internationalen Ordnung erschüttert: den ewigen Konflikt zwischen dem Recht und der Macht. Dies ist keine neue Debatte, aber ihre Aktualität und Dringlichkeit sind angesichts globaler Krisen und Konflikte so evident wie selten zuvor. Von den Schützengräben der Ukraine bis zu den Trümmern Gazas, von den Sälen der Vereinten Nationen bis zu den Gerichtss-älen Den Haags – überall wird sichtbar, wie das Völkerrecht und die Menschenrechte unter dem Druck geopolitischer Machtinteressen zu zerbrechen drohen. Doch was genau kennzeichnet diese Krise, und welche Auswirkungen hat sie auf die globale Gerechtigkeit und Stabilität? Dieser Beitrag analysiert, wie die Erosion der regelbasierten internationalen Ordnung, die Schwäche internationaler Institutionen und der gezielte Einsatz von Doppelstandards das globale Gleichgewicht zwischen Rechten und Macht verschieben.

Die Machtdemonstration von Staaten, die sich über internationale Normen und Gesetze hinwegsetzen, stellt die Grundprinzipien einer auf Regeln basierenden Weltordnung infrage. Die Suchintention hinter dem Haupt-Keyword „Macht“ zielt darauf ab, die Dynamiken und Konsequenzen dieser Verschiebung zu verstehen. Wie beeinflussen die Handlungen mächtiger Akteure die Stabilität und die Zukunft der internationalen Beziehungen? Dieser Artikel bietet eine umfassende Analyse dieser brennenden Fragen.

1. Die Macht der Staaten über das Völkerrecht: Eine selektive Anwendung

Das Völkerrecht, das auf grundlegenden Prinzipien wie der Souveränität der Staaten, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und der friedlichen Beilegung von Konflikten beruht, soll einen Rahmen für Ordnung und Stabilität bieten. Es ist der Versuch, einen universellen Kodex für das Verhalten von Staaten zu schaffen. Doch in der Realität zeigt sich immer wieder, dass Macht oft über diese Prinzipien triumphiert. Mächtige Staaten neigen dazu, sich nur dann an das Völkerrecht zu halten, wenn es ihren Eigeninteressen dient, und es regelmässig zu verletzen, wenn es diesen zuwiderläuft. Dieses Phänomen der selektiven Anwendung ist das vielleicht augenfälligste Zeichen der aktuellen Krise.

1.1 Das „Recht des Stärkeren“ als neue Realität

Die Quellen verdeutlichen, dass das „Recht des Stärkeren“ zunehmend die Realität bestimmt, insbesondere dort, wo keine durchsetzende Instanz existiert. Völkerrechtsverletzungen, wie sie beispielsweise die USA im Kosovo (1999) und im Irak (2003) begangen haben, haben die Glaubwürdigkeit westlicher Staaten, sich für eine auf Völkerrecht basierende Ordnung einzusetzen, erheblich geschwächt.

  • Der Fall Kosovo (1999): Die NATO-Intervention ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrates wurde von westlichen Staaten als „humanitäre Intervention“ gerechtfertigt, da Serbien mutmaßlich massive Menschenrechtsverletzungen beging. Kritiker argumentieren jedoch, dass dies eine klare Verletzung der UN-Charta war, die den Einsatz von Gewalt nur zur Selbstverteidigung oder mit UNSC-Mandat erlaubt.
  • Der Fall Irak (2003): Die Invasion der USA und ihrer Verbündeten wurde mit dem angeblichen Besitz von Massenvernichtungswaffen begründet, die sich später als nicht existent erwiesen. Dieser Krieg wurde international als Völkerrechtsbruch verurteilt und gilt als ein prägnantes Beispiel für die Missachtung internationaler Normen durch eine Grossmacht.
  • Der Fall Libyen (2011): Die UN-Resolution, die eine Flugverbotszone einrichtete, wurde von einigen Staaten als Lizenz interpretiert, einen Regimewechsel herbeizuführen. Diese Dehnung des Mandats zeigte, wie selbst autorisierte Interventionen die Grenzen des Völkerrechts ausdehnen können.

Diese Beispiele haben autoritären Regimen die Argumentationsgrundlage geliefert, ihre eigenen Verstöße zu relativieren und westliche Kritik als Heuchelei abzutun. Deutsche Politikerinnen und Kommentatorinnen diskutieren sogar die Trennung von Legalität (Völkerrechtskonformität) und Legitimität (moralische oder politische Rechtfertigung), um völkerrechtswidrige Aktionen zu rechtfertigen. Diese selektive Anwendung des Völkerrechts führt zu einem Rechtsvakuum, das nach dem Belieben mächtiger Staaten gefüllt werden kann.

1.2 Russlands Angriffe auf die territoriale Souveränität

Die russische Machtdemonstration in der Ukraine ist ein besonders eklatanter Bruch des Völkerrechts. Die Annexion der Krim im Jahr 2014 und die grossflächige Invasion im Februar 2022 verletzen fundamentale völkerrechtliche Prinzipien: das Gewaltverbot und das Prinzip der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit eines jeden Staates. Die russische Führung rechtfertigt ihre Handlungen mit dem Schutz der russischsprachigen Bevölkerung und der angeblichen „Entnazifizierung“ der Ukraine. Solche Behauptungen werden von der internationalen Gemeinschaft, insbesondere durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen, als unbegründete Vorwände zurückgewiesen. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat Russland 2022 in einem Eilverfahren angewiesen, seine Militäroperationen unverzüglich einzustellen. Dies ist ein klares Beispiel dafür, wie das Völkerrecht versucht, sich gegen die nackte Macht zu behaupten, auch wenn die Durchsetzung in der Praxis schwierig ist.

Zusätzlich zu den militärischen Aktionen hat die russische Führung im Kontext des Krieges wiederholt mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht, oft auch bei verhältnismäßig geringfügigen Anlässen. Diese Drohungen werden von Beobachtern als gefährliche Machtdemonstration gewertet, die die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen herabsetzt.
Doch wie die Fabel „The Boy Who Cried Wolf“ besagt, dass man nicht ungestraft lügen kann, denn wenn man es doch tut, wird man einem nicht mehr glauben, wenn man wirklich die Wahrheit sagt. Ein Hirtenjunge ruft immer wieder zum Spaß „Wolf!“, bis die Dorfbewohner kommen und ihn zur Rede stellen. Als ein echter Wolf erscheint, rufen die Dorfbewohner nicht mehr, da sie glauben, er würde wieder nur lügen, und die Schafe werden gefressen. „Wer immer wieder Wolf ruft” oder in diesem Fall Atomwaffen androht, birgt der wiederholte Gebrauch dieser extremen Rhetorik das Risiko, dass die Drohung ihre abschreckende Wirkung verliert und die internationale Gemeinschaft sie zunehmend als leere Worte abtut.

1.3 Chinas Herausforderung der regelbasierten Ordnung

Auch China verfolgt eine Strategie, die das internationale Recht zugunsten nationaler Interessen beugt. Im Südchinesischen Meer hat China historisch vage Ansprüche geltend gemacht und künstliche Inseln gebaut, um seine militärische Präsenz zu sichern. Ein internationales Schiedsgericht entschied 2016 zugunsten der Philippinen und erklärte Chinas historische Ansprüche für ungültig. China ignorierte das Urteil jedoch vollständig und setzte seine Machtdemonstration in der Region fort. Dieser Fall verdeutlicht, dass selbst bindende gerichtliche Entscheidungen ohne die notwendige politische Unterstützung und den Willen der Staaten zur Einhaltung wirkungslos bleiben.

2. Die Schwäche der internationalen Institutionen im Angesicht der Macht

Die internationalen Institutionen, die eigentlich die Rechte und das Völkerrecht schützen sollen, sehen sich erheblichen Einschränkungen durch die Macht geopolitischer Akteure gegenüber. Ihre Autorität wird untergraben, ihre Handlungsfähigkeit blockiert.

2.1 Der UN-Sicherheitsrat: Blockade durch Vetorecht

Der UN-Sicherheitsrat trägt die Hauptverantwortung für die Wahrung von Frieden und Sicherheit. Doch sein Funktionieren ist durch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder (China, Frankreich, Grossbritannien, Russland, USA) stark beeinträchtigt. Dieses Vetorecht führt dazu, dass der Rat in kritischen Konflikten, wie dem zwischen Russland und der Ukraine, beschlussunfähig und „praktisch zahnlos“ bleibt. Auch die USA haben ihr Vetorecht im Kontext des Gaza-Krieges monatelang missbraucht, um wirksame Massnahmen zu verhindern, und anschliessend eine Resolution als „nicht bindend“ bezeichnet. Diese Blockademöglichkeit verhindert oft Massnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta, die bei Bedrohung oder Bruch des Friedens ergriffen werden könnten. Die Forderung nach einer Reform des Sicherheitsrats und einer Einschränkung des Vetorechts wird daher immer lauter.

  • Der Fall Syrien: Seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs haben Russland und China zahlreiche Resolutionen blockiert, die Sanktionen verhängen oder humanitäre Hilfslieferungen sichern sollten. Dies hat die UN in ihrer Rolle als globaler Akteur für Frieden und Sicherheit massiv diskreditiert.
  • Der Fall Gaza: Die wiederholten Vetos der USA gegen Resolutionen, die eine Waffenruhe im Gaza-Krieg forderten, haben die internationalen Bemühungen zur Beendigung des Konflikts behindert und die Glaubwürdigkeit der USA als unparteiischen Vermittler beschädigt.

2.2 Internationale Gerichtshöfe: Ignoranz und Widerstand

Auch die internationalen Gerichte stossen an ihre Grenzen, wenn sie auf den Machtanspruch souveräner Staaten treffen.

  • Internationaler Gerichtshof (IGH): Der IGH kann bindende Entscheidungen fällen. Doch Staaten wie Russland verweigern die Teilnahme an Verfahren und erkennen die Zuständigkeit des Gerichts nicht an. Obwohl der IGH im Fall Gaza einstweilige Massnahmen zur Verhinderung eines Völkermords anordnete und die israelische Besatzung als völkerrechtswidrig bezeichnete, wurde dies von den USA und Israel weitgehend ignoriert. Die Fähigkeit des IGH, den Verlauf von Gewaltanwendung direkt zu beeinflussen, ist aufgrund des zeitlichen Verzugs zwischen Verfahrenseinleitung und Urteil begrenzt, seine moralische Autorität und abschreckende Wirkung sind jedoch nicht zu unterschätzen.
  • Internationaler Strafgerichtshof (IStGH): Der IStGH ist ein ständiges internationales Strafgericht für Verbrechen wie Völkermord und Kriegsverbrechen, die von Individuen begangen werden, nicht von Staaten. Wichtige Staaten wie China, Indien, Israel, Russland, die Türkei und die USA haben das Römische Statut nicht ratifiziert oder ihre Unterschrift zurückgezogen, was die Reichweite des IStGH erheblich einschränkt. Die Ignoranz von Haftbefehlen gegen amtierende Staatsoberhäupter wie Omar al-Bashir oder Wladimir Putin ist ein klares Zeichen dieser Machtdemonstration. Die USA bekämpfen den IStGH aktiv und drohten sogar mit Sanktionen gegen dessen Mitarbeiter. Israelische Geheimdienste führten über Jahre hinweg verdeckte Operationen durch, um IStGH-Mitarbeiter*innen zu überwachen, unter Druck zu setzen und Ermittlungen zu behindern.
  • Die Bedeutung der Moralischen Autorität: Trotz der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit haben die Urteile der Gerichte eine wichtige Signalwirkung. Sie definieren, was als völkerrechtswidrig gilt, und schaffen eine historische Aufzeichnung, die in zukünftigen Debatten und Gerichtsverfahren relevant sein wird. Die moralische Verurteilung ist eine Form des Drucks, der die Legitimität von Staaten und ihren Führern untergräbt.

2.3 Die Schutzverantwortung (R2P): Ein Ideal unter Beschuss

Das Konzept der Schutzverantwortung (R2P), das die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen bei Massengräueltaten verpflichtet, wurde ebenfalls durch Machtinteressen untergraben. Trotz seiner Verabschiedung im Jahr 2005 bleibt die internationale Bereitschaft zur Durchsetzung weit zurück. Russland missbrauchte das Konzept sogar, um seinen Angriff auf die Ukraine mit dem Schutz der Menschen im Donbass zu rechtfertigen, was die Idee ad absurdum führt.

3. Doppelstandards als Waffe im geopolitischen Machtkampf

Der Vorwurf des Doppelstandards ist zu einem mächtigen Werkzeug im geopolitischen Kulturkampf geworden. Er dient sowohl als legitimes Kritikverfahren als auch als Propagandanarrativ, um die Macht und Glaubwürdigkeit gegnerischer Staaten zu delegitimieren.

3.1 Russlands Strategie der Delegitimierung

Die Putin-Regierung nutzt die Rede vom Doppelstandard als Kernaussage ihrer Propaganda, um „westliche Regeln und Verfahren“ als „Doppelstandard für Dummköpfe“ abzuwerten. Russland vergleicht die Annexion der Krim mit der Unabhängigkeit des Kosovo und relativiert den Krieg gegen die Ukraine durch den Verweis auf die israelische Operation gegen die Hamas. Diese Rhetorik dient dazu, Kritik an Russlands autoritär-faschistischer Politik als „westlich“, „russophob“ und „neokolonial“ darzustellen und Russland als „Anführer des Globalen Südens“ zu positionieren. Die Machtdemonstration wird so in eine Erzählung des Widerstands gegen angebliche westliche Heuchelei verpackt.

3.2 Die Kritik am Westen aus dem Globalen Süden

Die westliche Berichterstattung über die Kriege in der Ukraine und in Gaza wird oft als doppelzüngig und rassistisch kritisiert. So wird moniert, dass Verträge mit russischen Universitäten eingefroren wurden, nicht aber mit israelischen, obwohl die israelische Armee Universitäten im Gazastreifen zerbombte. Die Unterstützung für „zivilisierte, blondhaarige und blauäugige“ Ukrainer*innen stehe im Gegensatz zur Behandlung anderer Geflüchteter und widerspiegele rassistische Motive. Diese Kritik, die oft von Aktivisten und Akademikern aus dem Globalen Süden geäussert wird, ist nicht immer nur Propaganda, sondern reflektiert eine echte Wahrnehmung, dass die westlichen Werte und das Völkerrecht nicht universell, sondern selektiv angewendet werden.

3.3 Framing von Widerstand und Terrorismus

Die Rhetorik der Doppelstandards wird auch genutzt, um die Einordnung von Handlungen als „schrecklich“ oder „okay“ zu hinterfragen und eine gezielte Missinterpretation von Verteidigung und Widerstand zu suggerieren. Der BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) nutzt diese Rhetorik, um Boykotte gegen Russland als „hysterisch“ und „diskriminierend“ zu bezeichnen, während er Boykotte gegen Israel befürwortet. Die Frage, wer als Terrorist und wer als Freiheitskämpfer gilt, hängt oft stark von geopolitischen Allianzen ab.

  • Beispiel Hamas vs. Widerstandsgruppen: Während Hamas von vielen westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, sehen manche im Globalen Süden ihre Handlungen im Kontext eines Widerstands gegen Besatzung.
  • Die Debatte um das Recht auf Selbstverteidigung: Die israelische Regierung hat ihre Operationen im Gazastreifen mit dem völkerrechtlich anerkannten Recht auf Selbstverteidigung begründet. Kritiker, darunter Südafrika in seiner Klage vor dem IGH, argumentieren jedoch, dass die Schwere und das Ausmaß der Angriffe die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten haben und eine breitere Absicht zu erkennen sei, die eine juristische Untersuchung auf Völkermord rechtfertige. Diese Debatte illustriert, wie ein rechtlicher Grundsatz – das Recht auf Selbstverteidigung – im Kontext der realen Machtdynamiken und der Opferzahlen von Kritikern infrage gestellt und als Vorwand für überzogene Gewalt ausgelegt werden kann.

4. Die Ohnmacht der Weltpolitik: Zwischen verbaler Empörung und tatenlosem Zusehen

Die internationale Gemeinschaft, die sich in ihren Institutionen dem Völkerrecht verpflichtet hat, scheint in der Praxis oft zu erstarren, wenn es um dessen Durchsetzung geht. Politiker und Diplomaten verurteilen in öffentlichen Reden, die oft in den grossen Nachrichtensendern verbreitet werden, eklatante Völkerrechtsbrüche mit scharfen Worten. In der Presse und in den sozialen Medien entlädt sich eine Welle der Empörung. Doch diese verbale Entrüstung führt nur selten zu konsequentem Handeln. Oft bleibt es bei symbolischen Sanktionen oder Appellen, die von den Aggressoren ignoriert werden. Die Welt schaut tatenlos zu, wenn die Gewalt eskaliert oder Menschenrechte systematisch verletzt werden, und zeigt damit, dass die Machtdemonstration einiger Akteure die moralische und rechtliche Autorität der internationalen Gemeinschaft überschatten kann. Die Kluft zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was getan wird, schwächt die Weltordnung nachhaltig.

5. Der Vormarsch autoritärer Praktiken und seine globale Wirkung

Die Krise der Rechte vs. Macht zeigt sich nicht nur in internationalen Konflikten, sondern auch in der Zunahme autoritärer Praktiken weltweit, die die Macht der Regierungen auf Kosten der Bürgerrechte stärken. Dies ist ein globaler Trend, der die innere Stabilität von Staaten und die Menschenrechte gefährdet.

5.1 Die Unterdrückung Andersdenkender

Autoritäre Regime, die keine demokratische Legitimität besitzen, sind auf Repression angewiesen, um ihre Macht zu festigen. Dies äussert sich in der Einschränkung von Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit durch neue Gesetze und brutale Gewalt gegen Demonstrierende. Willkürliche Festnahmen, Folter und der Einsatz von Spionagesoftware sind Teil des Unterdrückungsarsenals.

  • Russland: Das Land hat Gesetze erlassen, die die Kritik am Militär oder die Verbreitung angeblicher „Falschinformationen“ kriminalisieren. Zahlreiche Journalisten, Aktivisten und Regimekritiker wurden inhaftiert. Der Fall von Alexei Navalny, der im Gefängnis starb, ist ein trauriges Symbol für die Unterdrückung politischer Opposition.
  • China: Die Regierung nutzt ein engmaschiges Überwachungssystem, um Dissens zu unterdrücken, insbesondere in Regionen wie Xinjiang, wo die Uiguren in Umerziehungslagern festgehalten werden. Ein massives Social-Credit-System überwacht das Verhalten der Bürger.
  • Iran: Nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Jahr 2022 wurden Proteste gegen die Regierung gewaltsam niedergeschlagen, Tausende wurden verhaftet und einige hingerichtet.

5.2 Instrumentalisierung des Terrorismusbegriffs

Der Kampf gegen den Terrorismus wird weltweit als Vorwand für repressive Massnahmen gegen politischen Aktivismus genutzt. Russland setzt beispielsweise Regimekritiker und die internationale LGBTQ-Bewegung auf Terrorlisten. China rechtfertigt die Internierung von Uiguren als Maßnahme zur Terrorismusbekämpfung. Diese Praxis untergräbt die ursprüngliche Absicht der Terrorismusbekämpfung und dient als bequemes Werkzeug zur Ausweitung der staatlichen Macht.

5.3 Technologie als Werkzeug der Macht

Technologie hat die Fähigkeiten der Staaten, ihre Bürger zu überwachen und zu kontrollieren, exponentiell erhöht. Behörden setzen grossflächig Spionagetechnologien wie die Pegasus-Software ein, und die Sicherheit der Nutzer im Internet ist durch Datensammlung bedroht. Das Geschäftsmodell von Social-Media-Betreiberfirmen priorisiert Interaktion auf Kosten der Sicherheit, was die Verbreitung von hasserfüllten und gewalttätigen Inhalten fördert.

  • Beispiele aus der Trump-Administration: Die Rhetorik von Donald Trump während seiner Präsidentschaft, die die US-Armee oder die Nationalgarde zur Bekämpfung von Kriminalität oder zur Kontrolle der US-mexikanischen Grenze einsetzen wollte, wurde von vielen als Versuch gesehen, militärische Macht für innenpolitische Zwecke zu nutzen, die ausserhalb der verfassungsmäßigen Grenzen lagen. Ein weiterer Vorfall, der weitreichende Kritik hervorrief, war die offizielle Ankündigung eines Militärschlags auf ein Boot, das angeblich Drogen aus Venezuela transportierte. Kritiker interpretierten solche Handlungen als eine gefährliche Machtdemonstration eines politischen Führers, der militärische Gewalt für Zwecke einsetzt, die außerhalb der verfassungsmäßigen und rechtlichen Normen liegen. Solche Vorgehensweisen tragen zur Erosion der Rechtsstaatlichkeit bei.
  • Pegasus-Software: Diese Spionagesoftware, die von der israelischen NSO Group entwickelt wurde, wurde angeblich von Regierungen weltweit eingesetzt, um Journalisten, Aktivisten und politische Gegner auszuspionieren. Dies zeigt, wie staatliche Macht über die digitale Sphäre in die private Kommunikation eindringen kann.
  • Überwachung in der digitalen Welt: Staaten sammeln massive Mengen an Daten über ihre Bürger, oft unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit. Diese Daten können genutzt werden, um politische Dissidenten zu identifizieren und zu unterdrücken, was die Rechte auf Privatsphäre und freie Meinungsäusserung aushöhlt.

5.4 Wirtschaftliche Interessen über Menschenrechte

Der Übergang zu erneuerbaren Energien, der die Nachfrage nach Rohstoffen wie Lithium, Kobalt und Seltenen Erden steigert, bringt neue Risiken für die Menschenrechte mit sich. Unternehmen versuchen, Rechts- und Politiksysteme zu beeinflussen, während Regierungen sie nicht angemessen regulieren. Dies führt oft zu Umweltzerstörung und der Ausbeutung von Arbeitskräften in den Abbauländern. Diese Dynamik verdeutlicht, wie globale Machtstrukturen und wirtschaftliche Interessen die Menschenrechte übergehen.

6. Auswege aus der Krise: Die Stärke des Rechts stärken

Die Krise des Verhältnisses von Rechten und Macht erfordert dringende Massnahmen. Ein Wandel vom „Recht des Stärkeren“ hin zur „Stärke des Rechts“ ist unerlässlich für den Wiederaufbau einer internationalen Rechts- und Friedensordnung. Dieser Weg ist lang und beschwerlich, aber er ist der einzige, der zu nachhaltiger globaler Gerechtigkeit führen kann.

6.1 Konsistente Anwendung des Völkerrechts

Westliche Staaten müssen das Völkerrecht konsequent und unparteiisch anwenden, auch gegenüber Verbündeten. Dies bedeutet, kritische Nachfragen zur Einhaltung des Völkerrechts nicht zu ignorieren und die Einhaltung von Menschenrechtsverpflichtungen zu priorisieren. Nur durch eine glaubwürdige und konsequente Haltung kann die Erosion der regelbasierten Ordnung aufgehalten werden. Es ist entscheidend, dass westliche Länder aufhören, ihre eigenen Verstösse als „notwendige Ausnahmen“ oder „moralisch gerechtfertigte Aktionen“ zu framen. Diese Machtdemonstration der Doppelmoral muss beendet werden, um die eigene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

6.2 Reform internationaler Institutionen

Eine Reform des UN-Sicherheitsrats, einschliesslich der Einschränkung des Vetorechts und einer gerechteren Repräsentation, ist dringend notwendig, um die Handlungsfähigkeit und Legitimität dieser zentralen Institution zu stärken. Die Forderungen nach der Aufnahme von Ländern wie Deutschland, Japan, Indien, Brasilien oder einer afrikanischen Vertretung in den Rat werden immer lauter. Solche Reformen würden die Macht des Rates auf eine breitere Basis stellen und seine Fähigkeit verbessern, in globalen Konflikten zu agieren, anstatt durch geopolitische Konflikte gelähmt zu werden.

6.3 Unterstützung internationaler Gerichte

Der IGH und IStGH müssen gestärkt und ihre Unabhängigkeit gewährleistet werden. Die Kooperation mit diesen Gerichten, auch in politisch kontroversen Lagen, trägt langfristig zur Stabilisierung der Völkerrechtsordnung bei. Staaten, die das Römische Statut des IStGH nicht ratifiziert haben, sollten ermutigt werden, dies zu tun. Die Bereitstellung von Ressourcen und die politische Unterstützung für die Gerichte sind entscheidend, damit sie ihre Arbeit effektiv ausführen können.

6.4 Stärkung der Global Governance

Eine grundlegende Veränderung hin zu supranationalen und demokratischen Formen der Global Governance, einschliesslich stärkerer demokratischer Mechanismen und der Stärkung der Rolle internationaler und nationaler Gerichte, ist eine Empfehlung zur Lösung globaler Probleme. Dies bedeutet, dass Staaten einen Teil ihrer Souveränität zugunsten globaler Institutionen abtreten müssen, um gemeinsam auf Herausforderungen wie den Klimawandel, Pandemien oder die globale Wirtschaftskrise zu reagieren. Die Machtdemonstration einzelner Staaten muss durch multilaterale Zusammenarbeit ersetzt werden.

6.5 Beteiligung der Zivilgesellschaft

Eine aktive Zivilgesellschaft und eine kritische Öffentlichkeit spielen eine entscheidende Rolle, um die Macht der Regierungen zu kontrollieren und auf die Einhaltung von Menschenrechten zu drängen. Die Wahrnehmung der UN als ferne, ungreifbare Institution muss überwunden werden. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen können durch Lobbyarbeit, Proteste und die Verbreitung von Informationen den Druck auf ihre Regierungen erhöhen, sich an internationale Normen zu halten. Die Bildung und das Engagement der Bürger sind entscheidend, um eine Kultur des Rechts über die Kultur der Macht zu stellen.

Fazit: Eine Zukunft im Zeichen der Rechte statt der reinen Macht

Die Krise der Rechte vs. Macht ist eine tiefgreifende Herausforderung für die internationale Gemeinschaft. Sie manifestiert sich in der Erosion des Völkerrechts, der Lähmung internationaler Institutionen und dem Aufstieg autoritärer Praktiken. Der Kampf um die Deutungshoheit über die Wahrheit, die Instrumentalisierung von „Doppelstandards“ und die Missachtung gerichtlicher Urteile sind Ausdruck eines globalen Machtkampfes, in dem die Rechte der Menschen oft auf der Strecke bleiben.

Doch die Quellen zeigen auch Wege auf: durch die konsequente Verteidigung des Völkerrechts, die Reform multilateraler Institutionen und das Engagement einer informierten und kritischen Zivilgesellschaft. Es liegt in der Macht der Staaten – und der Weltbevölkerung –, ob wir weiterhin eine Welt erleben, in der das Recht des Stärkeren vorherrscht, oder ob wir den Weg zu einer Zukunft ebnen, in der die Stärke des Rechts die Grundlage für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde bildet. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.

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