Der Digitalisierungskiller „Haben wir schon immer so gemacht“ – Wie die öffentliche Verwaltung Fortschritt ausbremst

Als IT-Leiter / -Systemadministrator in der öffentlichen Verwaltung sehe ich täglich, wie Fortschritt, Digitalisierung und die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) an einer scheinbar harmlosen Phrase scheitern: „Haben wir schon immer so gemacht.“ Dieser Satz ist mehr als nur eine Tradition, er ist ein Gift für Innovation, ein Schild für Bequemlichkeit und ein Bremsklotz für die dringend benötigte Modernisierung unserer Verwaltungen.

Mehr als nur eine Phrase: Die Wurzel des Problems

„Haben wir schon immer so gemacht“ ist in vielen Behörden zur Standardeinstellung geworden. Es ist eine bequeme Ausrede, um jegliche Veränderung abzuwehren, und birgt eine gefährliche Mischung aus Faulheit, Risikoscheu und fehlendem Verständnis für die Notwendigkeit von Innovation. Statt sich mit neuen Technologien und Prozessen auseinanderzusetzen, klammert man sich an Altbewährtes – auch wenn dieses längst ineffizient und bürgerunfreundlich ist.

Ein Blick hinter die Kulissen: Warum es so ist

Dieses Verhalten ist nicht nur stur, sondern hat tieferliegende Ursachen:

  • Schlechte IT-Grundlagen: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen nicht über das grundlegende Verständnis, wie die IT-Infrastruktur überhaupt funktioniert und wie sie im täglichen Arbeitsablauf optimal genutzt werden kann. Schulungen sind oft lückenhaft oder veralten schnell.
  • Fehlendes Prozessmanagement: Prozessdenken ist in vielen Behörden kaum verankert. Es fehlt an der Fähigkeit, Arbeitsabläufe zu analysieren, zu optimieren und digital zu unterstützen. Stattdessen werden Formulare manuell weitergereicht und Daten in Silos verwaltet.
  • Komfortzone statt Fortschritt: Die Angst vor Neuem und dem damit verbundenen Lernaufwand ist groß. Viele scheuen sich davor, ihre etablierten Arbeitsweisen zu verlassen, auch wenn diese ineffizient sind.
  • Mangelnde Konsequenzen: Und hier kommt der Knackpunkt: Kommunen und Behörden können oft ohne Konsequenzen ihre Pflichten zur Umsetzung des OZG ignorieren. Es fehlt an klaren Verantwortlichkeiten und Sanktionsmechanismen.

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) – Ein Gesetz zum Scheitern verurteilt?

Das OZG ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer modernen, bürgerfreundlichen Verwaltung. Es verlangt die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen und die Bereitstellung dieser online. Doch was nützt ein Gesetz, wenn es ignoriert wird?

Leider ist dies in vielen Fällen die Realität. Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben werden Anträge weiterhin auf Papier bearbeitet, Prozesse nicht digitalisiert und Daten nicht interoperabel gemacht. Der Grund? Oftmals die einfache Aussage: „Haben wir schon immer so gemacht.“

Und das Schlimmste daran: Es gibt kaum Konsequenzen. Fehlende Kontrollen und Sanktionsmechanismen führen dazu, dass Kommunen und Behörden sich sicher fühlen und ihre Pflichten vernachlässigen können.

Was können wir tun? – Ein Weckruf für die öffentliche Verwaltung

Es ist Zeit, aufzuwachen und die dringend notwendige Transformation anzustoßen. Hier einige Schritte, die wir unternehmen müssen:

  • Investition in Weiterbildung: Umfassende Schulungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unerlässlich, um die IT-Grundlagen zu vermitteln und das Verständnis für digitale Prozesse zu fördern.
  • Förderung von Prozessmanagement: Die Einführung von Prozessmanagement-Methoden hilft, Arbeitsabläufe zu analysieren, zu optimieren und digital zu gestalten.
  • Schaffung einer Innovationskultur: Es braucht eine offene Atmosphäre, in der neue Ideen willkommen sind und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigt werden, Veränderungen anzustoßen.
  • Stärkung der Kontrollmechanismen: Es müssen klare Verantwortlichkeiten und Sanktionsmechanismen geschaffen werden, um sicherzustellen, dass das OZG und andere gesetzliche Vorgaben auch tatsächlich umgesetzt werden.
  • Vorbildfunktion der Führungskräfte: Führungskräfte müssen die Transformation aktiv vorleben und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen.

Fazit:

„Haben wir schon immer so gemacht“ ist ein Gift für die öffentliche Verwaltung. Es bremst den Fortschritt, behindert die Digitalisierung und gefährdet die Umsetzung des OZG. Nur durch Investition in Weiterbildung, Förderung von Prozessmanagement und Schaffung einer Innovationskultur können wir diese Denkweise überwinden und eine moderne, bürgerfreundliche Verwaltung schaffen.

Es ist Zeit, die Vergangenheit hinter uns zu lassen und mutig in die Zukunft zu blicken.

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